
Als ich damals von Wien nach Marburg gezogen bin, dachte ich ja noch, dass ich mein damaliges Lieblingsfotogebiet, die Lobau,
mit einem ähnlichen Gebiet ersetzen müsste. Vermutlich war ich getrieben vom Gedanken, dass meine Fotos weiterhin ähnliche
Motive zeigen müssten. Ich hatte ja damals auf virtuellen Exkursionen in Google Earth und in den Tiefen des Internets sogar
schon eine Gegend ausgewählt, die mein Lobauersatz werden sollte: Den
Burgwald.
Nun, es zeigte sich, dass der Burgwald durchaus ein hübscher Fleck Erde ist. Die Naturschutzgebiete dort - und nicht nur die -
sind wirklich einen und ganz sicher auch mehrere Ausflüge wert. Aber im Nachhinein bleibt mir trotzdem nur die Feststellung,
dass die Idee, dort einen Ersatz für die Lobau zu finden, eine ziemliche Schnapsidee war... ;)
Es ist ja schon interessant, wenn man erkennen muss, wie sehr die Realität von einer vorgefertigten Meinung doch abweichen kann.
Auf meinen damaligen Erkundungstouren musste ich erkennen, dass sogar noch genutzte Baggerseen unter den richtigen Umständen fotogene
Stellen haben, dass auch die Lahn nicht überall nach begradigtem Fluss aussieht, dass man auch in an sich orchideenarmen Gegenden noch
ein paar dieser hübschen Pflanzen finden kann und dass auch in den hiesigen Wirtschaftswäldern viele hübsche Flecken zu finden sind.
Eine Kombination aus Büchern, Landkarten, Google Earth (oder ähnlichem) und Spaziergängen, Wanderungen oder Radtouren mit
offenen Augen ist für den Start sicher eine gute Mischung. Die Erkundungstouren sollte man meiner Erfahrung nach am besten bei "schlechtem"
Licht machen und die richtige Kameraausrüstung zu Hause lassen. Eine kleine Kompaktkamera bzw. die Smartphonekamera reichen um fotografische
"Notizen" zu machen. Bei gutem Licht und mit der richtigen Kameraausrüstung ist man einfach viel zu abgelenkt. Wenn ich das früher
schon gemacht hätte, wären mir sicher noch ein paar Motive in der Lobau in Wien aufgefallen, die für etwas mehr Abwechslung in
meinen Fotos gesorgt hätten.
Ich für mich habe in den wenigen Jahren, die ich jetzt hier in Marburg wohne, eine ganze Reihe von solchen Orten gefunden. Viele andere
werden sich noch irgendwo vor mir verstecken. Aber auch wenn es für den ein oder anderen vielleicht langweilig ist, dass häufig die
gleichen Motive fotografiert werden, die Stimmung ist doch jedes Mal eine andere. Wenn man damit klar kommt, spricht nichts gegen
eine gute Zeit mit Motiven in der Nähe. Für mich haben sich mit der Zeit vor allem vier verschiedene Motivarten rauskristallisiert:
Baggerseen, die Lahn, natürlich die Orchideen und die hiesigen Wälder.
Hier in der Umgebung von Marburg hat es glücklicherweise gleich ein paar dieser Baggerseen. Praktischerweise liegt es in der Natur der Sache,
dass diese Seen alle im Flachland liegen. Da fällt es dann auch deutlich leichter ein paar Kilometer mehr mit dem Rad zurückzulegen.
Niemals hätte ich gedacht, dass gerade die Lahn, die hier ja an sich einfach nur ein weiterer dieser mehr oder weniger gezähmten Flüsse
ist, eines meiner Lieblingsmotive überhaupt zustande bringen könnte. Und interessanterweise dies dann auch noch in einer Entfernung von
nur knapp über einem Kilometer Luftlinie von zu Hause?
Wie anfangs schon geschrieben, für ihren Orchideenreichtum ist diese Gegend hier nicht gerade bekannt. Schuld ist der recht verbreitete Mangel
an Kalk. Naja, die Marburger Gegend ist halt einfach nicht wie Wien und seine Umgebung. Das war mir schon immer klar und nicht in allen Fällen
ist das von Nachteil. Trotzdem gibt es auch hier in der Nähe Orchideen zu finden. Zwar eher Allerweltsorchideen wie zum Beispiel die Breitblättrige
Stendelwurz oder die Vogel-Nestwurz, aber auch mit den Arten kann man Spaß haben. Und gerade weil sie nicht gerade mit ihren Reizen protzen,
gibt man sich vielleicht etwas mehr Mühe beim Fotografieren.
Niemals hätte ich gedacht, dass das Fotografieren des Waldes wirklich Spaß machen könnte. Also nicht allgemein den Wald, sondern eher diese
typischen mitteleuropäischen Nutzwälder. Aber genau wie sonst überall da draußen in der Welt der mitteleuropäischen Landschaften, gibt es auch
in den Wäldern immer wieder ein paar Flecken, die mehr bieten als die typisch durchkultivierte Landschaft - auch abseits von Naturschutzgebieten,
Nationalparks und Naturwaldreservaten.
Auch wenn ich mir natürlich darüber im Klaren bin, dass die fernen Ziele absolut ihren Reiz haben. Auch wenn ich verstehen kann, dass es
leichter ist mit solchen Motiven glücklich zu werden und immer wieder aufflammendes Fernweh damit deutlich leichter besiegt werden kann,
denke ich doch, dass es eine wunderbare Sache ist, die eigene Umgebung fotografisch für sich (und auch andere) zu erkunden und mehr als
nur typische Knipsbilder aus der zwar so bekannt wirkenden aber doch immer wieder fremden Umgebung herauszukitzeln.